Vom Aufbrechen und Ankommen
Kinder- und Jugendfilme zum Thema Migration

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (2019)

Länge: 119 Minuten

Altersempfehlung: Ab 10 Jahren

FSK-Freigabe: Ab 6 Jahren

Regie: Caroline Link

Darsteller: Riva Krymalowski (Anna Kemper), Oliver Masucci (Arthur Kemper), Carla Juri (Dorothea Kemper), Justus von Dohnányi (Onkel Julius), Marinus Hohmann (Max Kemper), Ursula Werner (Heimpi) u. a.

Genre: Literaturverfilmung , Drama

Land: Deutschland, 2019

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Als Anna eines morgens ihren Vater in seinem Arbeitszimmer besuchen will, ist dieser verschwunden. Das Mädchen ist zutiefst erschrocken. Ist ihm in der Nacht etwas zugestoßen? Ist seine Erkältung so schlimm geworden, dass er ins Krankenhaus musste? Tatsächlich musste der Vater das Haus verlassen. Er musste nach Prag fliehen, weil er angesichts der dramatischen politischen Zustände nicht länger in Berlin bleiben konnte. Es ist Winter 1933, Adolf Hitler und die Nationalsozialisten sind kurz davor, an die Macht zu kommen – und als kritischer Schriftsteller mit jüdischen Wurzeln ist Annas Vater in großer Gefahr. Auch Anna, ihr älterer Bruder Max und ihre Mutter sind in Berlin nicht mehr sicher. Hals über Kopf und ohne selbst den besten Freunden etwas zu verraten, müssen sie ihre wichtigsten Sachen in Koffer packen und sich auf den Weg in die Schweiz machen, wo sie ihren Vater wiedertreffen wird. Anna stellt dies vor eine schwere Entscheidung: Soll sie ihr geliebtes rosa Kaninchen mitnehmen? Oder das Kuscheltier, das sie erst vor kurzem geschenkt bekommen hat? Anna lässt ihr Kaninchen zurück.

Wie der mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Roman von Judith Kerr erzählt auch Caroline Link in ihrer Verfilmung ganz aus der Sicht der zehnjährigen Anna. So rücken die großen politischen Ereignisse fast ein wenig in den Hintergrund. Viel genauer erzählt der Film darüber, wie Anna die Flucht wahrnimmt und wie sie versucht, sich einen Reim auf all die Dinge zu machen, die sie von den Erwachsenen erfährt und die sie oft noch nicht versteht. Warum wird der Familie in der Schweiz bald klar, dass sie so schnell nicht mehr nach Berlin, in ihr Zuhause, zurückkehren können wird? Warum werden all die Dinge, die sie zurückgelassen haben, konfisziert? Warum stiehlt Adolf Hitler ihr rosa Kaninchen?

Immerzu muss Anna gemeinsam mit ihrem Bruder von Neuem beginnen. In der Schweiz kommt sie als Neue in eine Klasse, versteht weder die Sprache der anderen Kinder noch deren seltsame Traditionen. Und geschmolzenen Käse mag sie auch nicht. Trotzdem, und das ist ein Verdienst ihres Vaters, wird sie nie den Mut verlieren und jeden Neuanfang als aufregende Herausforderung begreifen. Nur wer nach vorne blickt, kann sich weiterentwickeln. Es ist bemerkenswert, dass dieser Optimismus den gesamten Film durchzieht und nicht verschwindet, auch als die Familie ein weiteres Mal umziehen muss und immer ärmer wird. Tatsächlich blendet „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl? grausame Bilder aus. Aber mit seiner ganz eigenen Erzählweise beschönigt er auch nichts und steht damit der Haltung von Judith Kerr, die im Roman ihre eigene Geschichte erzählt, ganz nah. Was ihm hervorragend gelingt ist, Fluchterfahrungen aus der Sicht eines Kindes zu zeigen und den Verlust von Heimat spürbar zu machen. Der Heimatort wird hier ersetzt durch die Familie. Sie ist es, die stets Geborgenheit und Halt bietet. Anna hatte das Glück, das zumindest dies ihr geblieben ist.

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